Niedersächsisches Umweltministerium Juli 2000

Aktualisierung der Gebietsvorschläge gemäß der EU-Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG) in Niedersachsen

Vorschlag V10

Emsmarsch von Leer bis Emden

1. Einleitung

Gemäß Artikel 4 der EU-Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG) sind die EU-Mitgliedsstaaten (in der Bundesrepublik Deutschland die Bundesländer) verpflichtet, die flächen- und zahlenmäßig geeignetsten Gebiete für Arten des Anhanges I der Richtlinie (Art 4. Abs.1) und für Zugvogelarten (Art. 4 Abs. 2) zu Besonderen Schutzgebieten (BSG, Europäische Vogelschutzgebiete) zu erklären und der Europäischen Kommission für die Bildung des ökologisch vernetzten Schutzgebietssystems Natura 2000 zu melden.

In Niedersachsen wurden bereits 1983 Besondere Schutzgebiete ausgewiesen. Das im folgenden beschriebene Gebiet ist ein Vorschlag des Niedersächsischen Umweltministeriums zur Aktualisierung der Europäischen Vogelschutzgebiete in Niedersachsen.

Unter den Gliederungspunkten 2 bis 7 werden der Gebietsvorschlag beschrieben und die wertbestimmenden Merkmale dargestellt. Darauf aufbauend enthält Punkt 8 allgemeine Hinweise für Erhaltungsziele, die u. a. als Maßstab für die Beurteilung der Erheblichkeit denkbarer Beeinträchtigungen im Rahmen der Durchführung von Verträglichkeitsprüfungen gemäß § 19 c Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) herangezogen werden können. Die unter Punkt 9 vorgeschlagenen Maßnahmen für den Schutz des Gebietes sind als generelle Einschätzung zu betrachten. Sie können im Rahmen einer genaueren Einzelfallbetrachtung modifiziert werden.

2. Kurzbeschreibung des Gebietes als Vogellebensraum

Das Gebiet umfasst größtenteils tidebeeinflusste Bereiche der bedeichten Unterems im Naturraum Emsmarschen mit Flusswatten, Prielen, Salzwiesen, Brackwasser-Röhrichten und Sanden sowie Grünland (z. T. mit Sommerdeichen). Die binnendeichs gelegenen Teilgebiete mit ausgedehnten Grünlandgebieten werden überwiegend intensiv genutzt. Einbezogen sind Bereiche des Dollarts bzw. der Unterems mit geringen Wassertiefen auf dem sog. Geisesteert.

Zusammen mit der Unter- und Mittelelbe sowie in Verbindung mit dem Rheiderland, dem Wattenmeer und dem Dollart herausragendes Überwinterungs- und Rastgebiet für nordische Gänse (internationale Bedeutung erreicht für Bläßgans, Graugans, Nonnengans) und Säbelschnäbler. Daneben bedeutendes Brutgebiet für Säbelschnäbler, Wachtelkönig, Blaukehlchen sowie für Wiesenvögel (z. B. Uferschnepfe, Rotschenkel).

3. Wertbestimmende Arten

Wertbestimmende Vogelbestände zur Auswahl dieses Gebietes nach Art. 4 der EU-Vogelschutzrichtlinie

Erläuterungen

Angegeben sind Höchstbestände aus den Jahren 1994 bis 1998 mit Ergänzungen aus 1993 und 1999

~ Schätzwerte aufgrund von Teilflächenerfassungen und Literaturauswertungen

Brutvögel: Anzahl der Brutpaare

Gastvögel: Maximale Individuenzahl = Tageshöchstzahl

[Erfassungen nach Tierarten-Erfassungsprogramm des NLÖ]


NG Nahrungsgäste = Anzahl Brutpaare, die außerhalb des Gebietes brüten, jedoch überwiegend im Gebiet nach Nahrung suchen


RL D / NI: Gefährdungsgrad nach Roter Liste Deutschland (WITT et al. 1996) und Niedersachsen (HECKENROTH 1995): 1 = vom Aussterben bedroht; 2 = stark gefährdet; 3 = gefährdet; V = Art der Vorwarnliste


Stetigkeit und Bedeutung des Vorkommens: Dargestellt ist, wie oft die Kriterien zur Einstufung des Vogelbestandes von internationaler oder nationaler Bedeutung erreicht worden sind (Kriterienwerte siehe Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 6/97).

erreicht: Bedeutung wurde in mindestens einem Erfassungsjahr erreicht

Mehrzahl der Jahre: Bedeutung wurde in der Mehrzahl der erfassten Jahre erreicht

jährlich: Bedeutung wurde in jedem Erfassungsjahr erreicht

Folgende für die Gebietsauswahl nicht ausschlaggebende Arten wurden im Gebiet außerdem regelmäßig nachgewiesen:

Anhang I: Rohrdommel, Weißstorch, Zwergschwan, Singschwan, Zwergsäger, Rohrweihe, Kornweihe, Wiesenweihe, Tüpfelsumpfhuhn, Goldregenpfeifer, Kampfläufer, Schwarzkopfmöwe, Sumpfohreule

Zugvögel: Haubentaucher, Kormoran, Graureiher, Höckerschwan, Saatgans, Kurzschnabelgans, Kanadagans, Ringelgans, Brandgans, Schnatterente, Krickente, Stockente, Spießente, Knäkente, Löffelente, Tafelente, Schellente, Gänsesäger, Wachtel, Bläßhuhn, Austernfischer, Sandregenpfeifer, Seeregenpfeifer, Bekassine, Großer Brachvogel, Rotschenkel, Grünschenkel, Waldwasserläufer, Flußuferläufer, Lachmöwe, Sturmmöwe, Heringsmöwe, Silbermöwe, Mantelmöwe, Gartenrotschwanz, Braunkehlchen, Rohrschwirl, Schilfrohrsänger, Bartmeise

Unter den im Gebiet brütenden wertbestimmenden Anhang I-Arten (Art. 4 Abs. 1 der EU-Vogelschutzrichtlinie) ist v.a.der Säbelschnäbler mit einem seiner größten niedersächsischen Brutvorkommen hervorzuheben, der zur Brutzeit auf seichte Schlick- und Flusswattbereiche angewiesen ist. Weiterhin wertbestimmend sind die landesweit bedeutenden Vorkommen des an spät gemähtes Feuchtgrünland, feuchte Brachen und Säume gebundenen, bundesweit und global vom Aussterben bedrohten Wachtelkönigs sowie des Weißsternigen Blaukehlchens, das an Nassstandorte unterschiedlicher Sukzessionsstadien gebunden ist. Neben den Röhrichten im Außendeichbereich besiedelt das Blaukehlchen im Gebiet auch binnendeichs gelegene Grabenkomplexe.

Für die im Anhang I aufgeführten Arten, die im Gebiet als Gastvögel wertbestimmend sind, stellt das Gebiet insbesondere für die Nonnengans einen international bedeutenden Rast- und Überwinterungslebensraum dar, wobei diese die Grünlandgebiete binnendeichs und Salzwiesen als Äsungsflächen nutzt. Schlafplätze befinden sich auf der Ems, im angrenzenden Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer sowie den Seichtwasserbereichen auf dem Geisesteert. Der Säbelschnäbler hat im Gebiet ebenfalls international bedeutende Rastbestände, wobei er Flachwasserzonen der tidebeeinflussten Wattgebiete bevorzugt.

Unter den wertbestimmenden Zugvogelarten (Art. 4 Abs. 2 der EU-Vogelschutzrichtlinie), die als Brutvögel im Gebiet vorkommen, haben die Brutbestände der wiesenbrütenden Limikolenarten herausragende Bedeutung. Das Gebiet beherbergt eines der bedeutendsten Brutvorkommen für Kiebitz, Uferschnepfe und Rotschenkel in Niedersachsen.

Für die wertbestimmenden Zugvogelarten (Art. 4 Abs. 2 der EU-Vogelschutzrichtlinie), die als Gastvögel im Gebiet auftreten, haben insbesondere die Grünlandbereiche als Nahrungshabitate für die rastenden bzw. überwinternden Arten Bläßgans und Graugans internationale Bedeutung. Weiterhin sind Flachwasserzonen, Schlickflächen und Salzwiesen wichtige Lebensräume für regelmäßig in national bedeutender Anzahl rastende Arten (v.a. Pfeifente, Uferschnepfe, Regenbrachvogel). Der Regenbrachvogel hat in den Vorländern der Ems einen Schlafplatz von nationaler Bedeutung, tagsüber nutzt er u.a. die binnendeichs gelegenen Grünlandgebiete.

Das Gebiet hat herausragende Verbindungsfunktion zu den angrenzenden bzw. nahegelegenen Europäischen Vogelschutzgebieten (u.a. Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer einschließlich Dollart sowie Fehntjer Tief).

4. Flächenbilanz nach ATKIS (Amtliches topographisch-kartographisches Informationssystem der Landesvermessung)

Nicht ermittelt.

5. Hinweise zur Abgrenzung

Im Gebietsvorschlag befinden sich zwei 1983 gemeldete Europäische Vogelschutzgebiete. Die Erweiterungen umfassen rechtsemsisch gelegene Grünlandkomplexe mit bedeutenden Nahrungshabitaten für Nonnen- und Bläßgänse. Bereiche des Emsvorlandes im Umkreis von Hafen- und sonstigen Anlagen wurden nicht einbezogen. Die Flächen auf dem Geisesteert sind ebenfalls als Vogelschutzgebiet bereits gemeldet und hier als Schlaf- und Nahrungshabitate für Gänse bzw. Limikolen einbezogen.

6. Aktueller Schutzstatus

Naturschutzgebiet im Vorschlagsgebiet:

NSG Petkumer Deichvorland (WE 219)

Gemeldete Vogelschutzgebiete im Vorschlagsgebiet:

BSG (1983) Ems-Außendeichsflächen und Sände Terborg bis Emden

BSG (1983) Ems-Außendeichsflächen und Sände von Leer bis Terborg

z.T. BSG (1983) Wattenmeer: Ostfriesisches Wattenmeer mit Dollart: b) Dollart

7. Gebietsgröße

Berechnung nach GIS: 3.244 ha

8. Hinweise zu den Erhaltungszielen

Die Hinweise zu den Erhaltungszielen für die Arten und Lebensräume in den Europäischen Vogelschutzgebieten beziehen sich auf die wertbestimmenden Arten. Diese sind unter Gliederungspunkt 3 tabellarisch aufgeführt und erläutert.

binnendeichs:

außendeichs:

9. Vorschläge für den Schutz des Gebietes

Im Außendeichsbereich weitere Ausweisungen von Naturschutzgebieten. Binnendeichs Sicherung der offenen Kulturlandschaft durch Landschaftsschutz. Extensive Grünlandbewirtschaftung zum Schutz der Wiesenvogel-Brutgebiete und der Gänsenahrungsflächen durch Vertragsnaturschutz.